Europäischer Gerichtshof: Gesetz zum „Modelo 720“ ist teilweise nichtig

Europäischer Gerichtshof: Gesetz zum „Modelo 720“ ist teilweise nichtig

Das „Modelo 720“

Im Jahre 2013 hat der spanische Gesetzgeber ein Gesetz erlassen, das allgemein „Modelo 720“ genannt wird. „Modelo 720“ ist ein Steuererklärungsformular, mit dem alle in Spanien unbeschränkt Steuerpflichtigen – also auch Ausländer, die in Spanien resident sind – Auslandsvermögen (Immobilien, Bankkonten, Beteiligungen, Lebensversicherungen, etc.)  deklarieren müssen, wenn das Auslandsvermögen mehr als 50.000 € beträgt. Zielsetzung des Gesetzes war es, Vermögenswerte im Ausland, deren Verfügungsberechtigte in Spanien unbeschränkt Steuerpflichtige sind, aufzudecken, um auf diese dann Kapitalertrag- und Vermögensteuern erheben zu können. Verstöße gegen die Auskunftsverpflichtung waren mit außergewöhnlich hohen Sanktionen belegt, die zum Teil – auch bei leichten Verstößen – zusammen mit den Steuernachzahlungen die Summe des nicht deklarierten Vermögens übertrafen. Weiter wurde von Fachleuten gerügt, dass das Gesetz keinerlei Verjährungsvorschriften vorsah.

In der Presse wurde der Fall einer Belgierin dokumentiert, die in Spanien ansässig ist und in Belgien eine Erbschaft von 800.000 € gemacht hatte., die sie im Modelo 720 nicht angab. Der spanische Fiskus verlangte von ihr eine Strafzahlung von 710.000 €.

Betroffene hatten das Gesetz zur Prüfung der Europäischen Kommission vorgelegt, von der es dann zum Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) kam, nachdem Spanien nicht einlenkte. Am 27.01.2022 verkündete der EuGH nun sein Urteil und gab der Klage in wesentlichen Punkten statt.

Das sagt der Europäische Gerichtshof

In seinem Urteil vom 27.01.2022 befand der EuGH, dass das Modelo 720 in wesentlichen Punkten nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Zwar könne der Gesetzgeber der Mitgliedstaaten Vorschriften gegen den Steuerbetrug erlassen, jedoch müssten die Sanktionen verhältnismäßig sein. Die im Gesetz vorgesehenen Strafen seien unverhältnismäßig hoch. Die Sanktionen gingen über das Notwendige hinaus, um wirksame Steuerkontrollen zu gewährleisten und Betrug und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Hinzu komme, dass das Gesetz keine Verjährung der Steuerpflicht vorsehe und gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs verstoße, weil Einwohner Spaniens davon abgehalten werden könnten, in anderen Mitgliedsstaaten zu investieren. Der spanische Gesetzgeber wird aufgefordert, das angefochtene Gesetz unter Beachtung der Rechtsansichten des Gerichts zu ändern bzw. neu zu fassen.

Welche Konsequenzen hat das Urteil?

Zunächst: An der Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung über Auslandsvermögen für in Spanien Ansässige ändert sich grundsätzlich nichts. Jedoch sind nach dem Urteil des EuGH die im Gesetz vorgesehenen Strafen nicht mehr anzuwenden. Bereits verhängte Strafen sind zu annullieren. Bereits gezahlte Strafen sind vom Fiskus an den Steuerzahler zu erstatten.

Es steht zu erwarten, dass Spanien aufgrund des Urteils das Gesetz zum Modelo 720 modifiziert, insbesondere in Bezug auf die Sanktionen und die Verjährung. Die spanische Finanzministerin Maria Jesús Montero hat bereits am Tage der Urteilsverkündung erklärt: „Das Gesetz ist immer noch in Kraft. Sobald wir das „Kleingedruckte“ des Urteils gelesen haben, wird Spanien die Aspekte der Strafen und Verjährungsfristen neu formulieren und gegebenenfalls bis zum 31. März 2022 eine Gesetzesänderung beschließen, damit die Steuerzahler fristgerecht ihre Steuererklärungen für Auslandsvermögen einreichen könnten“.

4 Kommentare zu “Europäischer Gerichtshof: Gesetz zum „Modelo 720“ ist teilweise nichtig

  1. Matthias Schöne schreibt:

    Leider ist es mit dem spanischen Gesetzgeber immer dasselbe: Man erlässt ein Gesetz mit unzulässigen Steuern, kassiert diese dann über viele Jahre dreist ein, und wenn dann der EuGH ein Gesetz für nichtig erklärt, behält man nach Möglichkeit die “Beute”. Spanien – eine Piraten(halb)insel.

    Matthias Schöne

  2. Inge Pollwitz schreibt:

    Hallo, Minkner-Team,

    die Höhe der Sanktionen zum Modelo 720 schrie ja zum Himmel. Dennoch hat Spanien fast 10 Jahre lang mit diesem Gesetz Residente mit Auslandsvermögen terrorisiert. Und dem dem vernichtenden Urteil des EuGH: Kein Wort der Entschuldigung seitens des gierigen Finanzministeriums und schnelle Anpassung des Gesetzes. Wirft kein gutes Licht auf Spanien.

    Mit freundlichen Grüßen
    Inge Pollwitz

  3. Andreas Kunze schreibt:

    Wenn Spanien alle Corona-Multas (verfassungswidrig) und alle Modelo-720-Strafen (EUrechtswidrig) zurückgezahlt hat, wird es wahrscheinlich Zeit für einen EU-Rettungsschirm.

  4. Pieter van Orwegen schreibt:

    Ich lese gerade, dass das spanische Finanzministerium davon ausgeht, dass ein Betrag von etwa 230 Millionen Euro zurückgezahlt werden muss. Es ist eine Schande, dass Spanien so rücksichtlos seine Bürger ausplündert in dem Wissen, dass man das Geld zurückzahlen muss und in der Hoffnung, das Geld aufgrund von Verjährungsvorschriften oder mangelnder Information der Steuerzahler behalten zu dürfen. Wie heißt es in der Feuerzangenbowle: Bah, wat habt Ihr für `ne fies Charakter!

    Pieter van Orwegen

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