Massentourismus und Wohnungskrise | Bürger protestieren – Politik muss liefern
Mallorcas Hotelwirtschaft ist guter Stimmung: nachdem im vergangenen Jahr 18,4 Millionen Gäste die Balearen besucht hatten, rechnet man in dieser Saison damit, die 20-Millionen-Hürde zu reißen. Darauf haben sich auch die Fluggesellschaften eingestellt: Lufthansa, Condor, Ryanair und andere haben die Anzahl der Mallorca-Flüge und die Sitzplatzkontingente kräftig aufgestockt. Und auch die Balearen-Regierung lässt keine Messe aus, Mallorca als Reiseziel zu bewerben. Das Ergebnis: Allein über die Osterfeiertage 2025 landeten 11.300 Passagier-Flugzeuge auf der Insel, 30 % mehr als über Ostern 2024!
Wenn auch die Wirtschaft der Inseln recht entspannt auf die laufende Saison schaut, macht sich bei den Mallorquinern nicht nur Unruhe breit, sie entlädt sich auch in Demonstrationen mit bis zu 20.000 Teilnehmern vielfältiger politischer Couleur. Sieben Umweltorganisationen haben einen „Brandbrief“ verfasst, der in der Forderung gipfelt „Liebe Urlauber, bitte bleibt zu Hause“. Sie kritisieren, dass entgegen der Zusagen der Politik die Besucherzahlen in der Hochsaison nicht reduziert wurden, dass durch den Massentourismus das Ökosystem zerstört sowie Infrastruktur und öffentliche Dienste überlastet würden und insgesamt für die Mallorquiner Ressourcen und damit Lebensqualität deutlich verringert werden würden.
Weiter habe der Massentourismus dramatische Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Viele Eigentümer hätten ihre Wohnungen dem normalen Mietmarkt entzogen, um sie mit hohem Profit an Feriengäste zu vermieten. Die Folge: Die Mieten steigen ebenso wie die Kaufpreise von Wohnungen, so dass es einem Normalverdiener kaum noch möglich sei, bezahlbaren Wohnraum – egal ob zur Miete oder zum Kauf – zu finden.
- Besucherrekord trifft Bürgerprotest:
Die Balearen erwarten 2025 über 20 Millionen Gäste – ein neuer Höchstwert. Während Hotellerie und Airlines jubeln, wächst auf Mallorca der Unmut: Umweltorganisationen und Bürger fordern spürbare Begrenzungen des Massentourismus. - Wohnungsmarkt stark unter Druck:
Illegale Ferienvermietungen und fehlender sozialer Wohnungsbau haben zu einer dramatischen Wohnungsnot geführt. Bezahlbarer Wohnraum ist rar – sowohl zur Miete als auch zum Kauf. Viele Einheimische werden zunehmend verdrängt. - Regierung kündigt Maßnahmen an:
Die balearische Regierung reagiert mit einem Maßnahmenpaket: von verschärften Kontrollen illegaler Vermietung über neue Wohnbauprojekte bis hin zur Begrenzung touristischer Angebote. Kritiker fordern allerdings raschere und konsequentere Umsetzung.
Ministerpräsidentin gründet „runden Tisch“
Die konservative Ministerpräsidentin Marga Prohens, die erst vor eineinhalb Jahren die zuvor acht Jahre regierende Links-Koalition abgelöst hat, hatte vor ihrer Wahl eine wirtschaftsliberale Politik, die möglichst wenige Eingriffe in die Wirtschaft vornehmen wollte, propagiert. Zwar schien sie von den großen Demonstrationen überrascht worden zu sein, stellte sich dann aber schnell als verständnisvolle Landesmutter der Diskussion und kündigte an, zeitnah ein Regulierungsinstrumentarium zu erarbeiten. So versprach sie z.B. Beschränkungen für den Kreuzfahrttourismus, Begrenzung für Mietwagen, Verbote für den Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit, die Schaffung neuen, bezahlbaren Wohnraums und die strenge Ahndung von illegalen Ferienvermietungen. Der Regierungssprecher Antoni Costa erklärte: „Wir verstehen die Besorgnis der Bevölkerung, denn der Anstieg der Touristenzahlen ist enorm“. Es sei an der Zeit, „Grenzen zu setzen und das derzeitige Wachstumsmodell zu ändern, da es nicht nachhaltig ist“. Prohens rief sogleich einen „Ausschuss für Nachhaltigkeit“ ein, dem 140 Organisationen angehören. Dieser Ausschuss soll Konzepte für die Lösung der anstehenden Probleme erarbeiten. Allerdings will Prohens nicht auf die Ergebnisse der Ausschussarbeit warten. Teilbereiche hat sie bereits angepackt, Lösungen erarbeitet oder angekündigt. Grund genug, die Themen Wohnungsnot und Massentourismus genauer zu analysieren.
Die Wohnungsnot auf Mallorca
Nach einer aktuellen Studie der spanischen Zentralbank werden auf den Balearen derzeit 15.740 zusätzliche und bezahlbare Wohnungen benötigt. Dieser Notstand betrifft nicht nur die, die aktiv eine Wohnung suchen, sondern auch die Wirtschaft insgesamt, da es immer schwieriger wird, Arbeitskräfte vom Festland anzuwerben, da diese auf Mallorca keine bezahlbaren Wohnungen finden. Das lähmt die Wirtschaft. Vermieter von freien Wohnungen berichten, dass sie an einem Tag 300 Bewerbungen erhielten, wenn sie eine Wohnung für 1.200 € in Palma anböten.
Die Gründe für die Wohnungsnot sind vielfältig. Der Hauptgrund ist sicherlich der, dass in der Vergangenheit, insbesondere in der 8-jährigen Regierungszeit der Links-Regierung, der soziale und öffentlich geförderte Wohnungsbau sträflich vernachlässigt wurde. Weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass viele Eigentümer ihre Wohnungen und Häuser illegal an Feriengäste vermieten und sie dadurch dem normalen Mietmarkt entziehen. Nach Schätzungen von Experten wird es sich um einige Tausend Wohnungen handeln, die illegal an Feriengäste vermietet werden. Allein auf Internetportalen werden etwa 1.000 illegale Ferienwohnungen auf Mallorcal angeboten. Auch hat die Linksregierung durch unbedachte Gesetze die Wohnungsnot verschlimmert: Im Dezember 2022 erließ sie ein Eilgesetz, mit dem 53.200 Hektar Bauland, auf dem 20.000 Wohneinheiten hätten gebaut werden können, als unbebaubar rückgestuft hat. Genauso verheerend war die Wirkung des von der linken Zentralregierung in 2023 verkündeten neuen Wohnungsgesetzes. Dieses Gesetz sieht eine Mietpreisbremse vor und schützt in extremer Weise säumige Mieter und sogar Hausbesetzer. Den Eigentümern, die die zur Räumung verpflichteten Mieter auf Räumung verklagen, müssen im gerichtlichen Verfahren intensiv mitwirken, dass für den Mieter Ersatzwohnraum, den es nicht gibt, gefunden wird. Viele Eigentümer zogen daraus die Konsequenz, lieber die Wohnungen leer stehen zu lassen und auf einen Regierungswechsel zu hoffen, als durch die Vermietung nur Verluste und aufwändige Gerichtsverfahren zu ernten. Die Zusammenstellung zeigt, dass es sich auch um hausgemachte, von der Politik verschuldete Probleme handelt.
Was tun? Bau neuer, bezahlbarer Wohnungen sagt sich leicht, bietet aber keine kurzfristigen Lösungen. Von der Planung bis zur Fertigstellung benötigt man etwa drei Jahre. Die Politik hat das Thema Neubau längst angepackt. Da ist zum Beispiel die ehemalige Militärkaserne Son Busquets – ein Gelände von 110.000 Quadratmeter, auf dem 831 Sozialwohnungen und 670 Wohnungen im geförderten Wohnungsbau entstehen sollen. Palmas Bürgermeister Jaime Martinez hat den Bau von 1.200 neuen Sozialwohnungen angekündigt, und für die kommenden 20 Jahre den Bau weiterer 13.000 Wohnungen. Auch die Bauträger werden mit ins Boot genommen: Sie sollen von der Regierung in Staatsbesitz befindliche Grundstücke in einer Art Erbbaupacht günstig zur Verfügung gestellt bekommen, um dort preisgedeckelten Wohnraum zu schaffen. Nach 70 Jahren sollen die Gebäude ins Eigentum des Staates zurückfallen.
Sodann hat die Regierung die illegale Ferienvermietung ins Visier genommen. Die Anzahl der Inspektoren und Fahnder (derzeit 30) wurde deutlich aufgestockt. Das Bußgeld für eine illegale Ferienvermietung beginnt bei 40.000 € und geht bis zu 400.000 €. Kürzlich wurde ein Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit einer Strafe in Millionenhöhe wegen illegaler Ferienvermietung versehen. Hilfe wird wahrscheinlich auch eine neue EU-Richtlinie, die für Spanien noch umgesetzt werden muss, bringen, nach der Internetportale die Werbung für illegale Ferienvermietungen entfernen müssen. Und schließlich die Eigentümer, die säumige Mieter und Hausbesetzer fürchten: Für diese Fälle hat die Regierung ein „Programm der sicheren Miete“ entwickelt. Die Vermieter erhalten für die Miete eine Staatsgarantie, wenn sie die Wohnung zu einem gedeckelten Preis anbieten. Ein weiterer Anreiz für die Eigentümer, ihre Wohnung wieder auf dem Markt anzubieten, ist eine Reduzierung der Einkommensteuer. Die Steuerbefreiungen liegen zwischen 50 % und 90 %, je nach Sättigungsgrad der Zone, in der sich die Immobilie befindet.
Weitere, schnell greifende Maßnahmen gegen die Wohnungsnot wurden durch ein Dekret zusammengefasst. Danach dürfen Städte baulich verdichtet werden, Gebäude-Aufstockungen werden zugelassen, ebenso die Neuaufteilung von größeren Wohnungen in mehrere kleine und die Umwandlung von leerstehenden Geschäftsräumen zu Wohnungen. Und all das wird begleitet mit einer Verschlankung der Verwaltung und einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren.
Massentourismus: Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los!
Wie schon dargestellt, erwarten die Balearen in 2024 bis zu zwanzig Millionen Besucher. Das freut die Tourismuswirtschaft. Doch bei den Einheimischen regt sich Widerspruch und Widerstand. Sie fühlen sich von den Touristenmassen überrannt, erdrückt und in ihrer Lebensqualität unzumutbar eingeschränkt. Sie sehen einen Ausverkauf der Heimat, eine rote Linie sei überschritten. Viele machen den Massentourismus auch für die Wohnungsnot verantwortlich. Hier überlappen sich die Problemkreise. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Angebot an bezahlbarem Wohnraum geringer wird und die Miet- und Kaufpreise steigen, wenn Eigentümer ihre Wohnungen illegal als Ferienunterkünfte anbieten, hohe Renditen erzielen und die auch nicht versteuern.
Demonstranten mit der Forderung „Tourist go home“, bringen nur eine Losung, nicht eine Lösung. Denn immerhin: Der Tourismus erwirtschaftet 50 % der Wirtschaftsleistung der Inseln. Etwa 10 % erwirtschaftet die Bauwirtschaft, die auch starke Impulse vom Tourismus bekommt. Jede Wirtschaft soll da weiter ihre Schwerpunkte setzen, was sie am besten kann. Und Mallorca kann Tourismus. Deshalb suchen Experten nach einem neuen Tourismusmodell. Viele meinen damit den Qualitätstourismus: Statt Masse, weniger Gäste und ein höherpreisiges Angebot. Andere befürchten, dass diese Gleichung nicht aufginge, denn geringere Besucherzahlen würden auch geringere Umsätze und damit einen Verlust von Arbeitsplätzen und touristischen Unternehmen bedeuten.
Die Regierung hat bislang kein durchgreifendes Konzept für eine neue Tourismusstrategie. Sie setzt zunächst auf Schadensbegrenzung: Beschränkung der Kreuzfahrtschiffe, Verringerung der Hotelbetten und harte Ahndung der illegalen Ferienvermietung (Verringerung des Angebots gleich Verringerung der Nachfrage). Im Übrigen formuliert sie auf ihrer Internetseite www.illesbalears.travel/de: „Der Tourismus in unserer Gemeinschaft ist viel mehr als nur der Genuss unserer Strände und Landschaften oder einer der vielen Attraktionen, die jede Insel zu bieten hat. Er ist ein Teil unseres Lebens und eine Möglichkeit, unser Land mit anderen zu teilen und ihnen die Türen zu unserem Paradies zu öffnen. Aber nicht alles geht: Wir glauben an einen verantwortungsvollen Tourismus, der zur Verbesserung unserer Lebensqualität beiträgt und setzen uns dafür ein“ und „Die Regierung der Balearen hat sich verpflichtet, das ganze Jahr über ein nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Tourismusmodell zu fördern, das unser Land und die Menschen, die dort leben, respektiert, schützt und pflegt. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, damit der Tourismus für uns alle eine Quelle von Chancen, Wohlstand und Stolz bleibt, denn gemeinsam kommen wir weiter“. Es gibt viel zu tun, packen wir`s an!