Vermögensteuer – ein Auslaufmodell | Pedro Sánchez versus Marga Prohens
Obwohl von linken Politikern immer wieder neu ins Gespräch gebracht, ist die Vermögensteuer in Europa ein Auslaufmodell. In den OECD-Staaten erheben (teilweise nur auf Immobilienvermögen) nur die Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Norwegen und Spanien eine Vermögensteuer. In Deutschland wurde die Vermögensteuer aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1995 abgeschafft (bzw. wird sie nicht mehr erhoben). Das Gericht hat den engen Zusammenhang zu den existierenden Steuern auf Vermögenserträge in Form der Einkommensteuer und der Erbschaftsteuer betont und eine darüberhinausgehende Steuer auf die Vermögenssubstanz als unzulässig bewertet. Weiter hatte das Gericht bemängelt, dass Immobilien bei der Besteuerung gegenüber anderen Vermögenswerten bevorzugt würden. Die Vermögensteuer wird deshalb allgemein als Auslaufmodell angesehen. Allerdings wird derzeit eine EU-weite Vermögensteuer unter dem Titel „tax the rich“ diskutiert. Die Initiative will alle EU-Bürger mit einem Nettovermögen von 1,1 Million besteuern, nämlich die Bürger, die zu den reichsten 1 % der Bevölkerung der EU gehören. Doch das sind Überlegungen, die in die Zukunft greifen. Heute wollen wir uns mit der Vermögensteuer in Spanien befassen, denn dort gibt es derzeit genügend Zündstoff.
Die Vermögensteuer in Spanien
Die spanische Vermögensteuer (impuesto sobre el patrimonio) fußt auf einem Gesetz von 1991. Sie besteuert das Nettovermögen des Steuerschuldners zum Stichtag 31. Dezember des Veranlagungsjahres. Ist der Steuerschuldner in Spanien unbeschränkt steuerpflichtig, so unterliegt das gesamte Vermögen der Vermögensteuer (mit einigen Ausnahmen: freigestellt ist z.B. die gewöhnliche Wohnung bis zu einem Höchstbetrag von 300.000 €). Ist dagegen der Steuerschuldner in Spanien nicht resident, so unterliegt der spanischen Vermögensteuer nur das in Spanien gelegene Vermögen (z.B. Immobilien in Spanien, Forderungen gegen Banken mit Sitz in Spanien, Aktien, die von einer spanischen Bank verwaltet werden, bewegliches Vermögen – Schmuck, Edelmetalle, Antiquitäten, Kunst – in Spanien). Derzeit liegen die jährlichen Steuern je nach Vermögenswert zwischen 0,2 % und 3,5 % des Nettovermögens. Nach dem nationalen Steuergesetz hat der Steuerschuldner einen Freibetrag von 700.000 €.
Die Einnahmen aus der Vermögensteuer stehen nicht dem Nationalstaat zu, sondern der Autonomen Region, in der der Steuerschuldner seinen Wohnsitz hat. Daraus folgt wohl auch die Regelung in Art. 2 IP, dass die autonomen Regionen abweichende Regelungen treffen können. Sie dürfen zwar die Vermögensteuer nicht abschaffen oder aufheben, sie können sie aber „bonifizieren“, und zwar bis zu 100 %, so dass faktisch keine Vermögensteuer erhoben wird. Von dieser Möglichkeit haben die meisten autonomen Regionen in unterschiedlicher Höhe Gebrauch gemacht, so daß Spanien im Hinblick auf die Vermögensteuer ein Flickenteppich ist. Eine deutliche Reduzierung der Steuertarife bis hin zu einer 100 % Bonifizierung haben überwiegend die konservativ regierten autonomen Regionen (Madrid, Andalusien, Balearen, Galicien, Murcia) vorgenommen, während die autonomen Regionen mit Linksregierungen oder Linkskoalitionen an den hohen Steuertarifen festhalten.
Die Reichen- oder Solidaritätssteuer
Diese eigenständige Steuerpolitik der konservativ regierten autonomen Regionen missfiel dem derzeitigen spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, und er versuchte, mit der sog. Reichen- oder Solidaritätssteuer (Impuesto Temporal de Solidaridad de las Grandes Fortunas , Ley 38/2022) in die Kompetenzen der autonomen Regionen einzugreifen. Die Reichensteuer besteuert Vermögen von über 3 Millionen Euro in der Höhe der Vermögensteuer. Sie fällt aber nur in den Autonomen Regionen an, die die Vermögensteuer bonifiziert haben. Und, damit die Strafe auch wehtut: Die Steuereinnahmen aus der Reichensteuer fließen dem Nationalstaat und nicht der autonomen Region zu. Mit der Verfassungsgemäßheit beschäftigt sich derzeit das spanische Verfassungsgericht. Die Reichensteuer sollte zunächst nur für die Jahre 2022 und 2023 gelten. Natürlich wurde sie für 2024 verlängert.
Die Vermögensteuer auf den Balearen
Die Regelungen zur Vermögensteuer der Balearen fußen auf dem Gesetz vom 02.12.2011 (Decreto Ley 6/2011). Bis zum Veranlagungszeitraum 2023 wurde für Nichtresidente deren spanisches Nettovermögen besteuert, das einen Wert von 700.000 € überstieg, für Residente gab es ebenfalls den Freibetrag von 700.000 €, der um einen Betrag von 300.000 € für den gewöhnlichen Wohnsitz erhöht wurde. Die Steuertabelle begann bei einem Steuersatz von 0,28 % und endete für ein Vermögen über 10.909.951,99 € bei einer Flatrate von 3,45 %.
Am 26. Mai 2023 fanden dann die Regionalwahlen für die Balearen statt. Die konservative PP hatte angekündigt, für den Fall eines Wahlsieges die Erbschaft- und Vermögensteuern schrittweise abzuschaffen. Dies alles unter dem Vorbehalt, dass auch die Nationalwahlen für Spanien zu einem Sieg der Konservativen führen würden, denn die Gesetze werden überwiegend in Madrid gemacht. Die Parteiführerin der Balearen-PP gewann die Wahl und regiert seither mit einer Minderheitsregierung. Für ganz Spanien blieb es allerdings bei einer Linksregierung, nachdem sich Ministerpräsident Sánchez durch Förderprogramme und Amnestieversprechen die Stimmen von Separatisten, insbesondere aus Katalonien, erkauft hatte. Obwohl diese Regierung auf tönernen Füßen steht, konnte Prohens ihre Wahlversprechen hinsichtlich der Erbschaft- und Vermögensteuer teilweise umsetzen. Aber das tat sie dann auch zügig und klug.
Mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes der Balearen für 2024 am 29.12.2023 wurde der Freibetrag bei der Vermögensteuer von 700.000 € auf 3.000.000 € angehoben, so dass nur noch ein Nettovermögen über 3.000.000 € mit Vermögensteuer belegt wird. Das gilt in gleicher Weise für Residente und Nichtresidente. Warum die 3-Millionen-Grenze? Nun, das war ein kluger politischer Schachzug: Hätte Prohens die Vermögensteuer insgesamt mit 100 % bonifiziert, würde für Vermögen ab 3 Millionen Euro auch auf den Balearen die Reichen- oder Solidaritätssteuer greifen, deren Einnahmen der Nationalregierung zufließen würden. So aber bleibt es für die Balearen bei der Vermögensteuer für Vermögen über 3 Millionen Euro, die Reichensteuer kommt nicht zum Zuge, und die Einnahmen aus der Vermögensteuer bleiben auf den Balearen. Die neuen Regelungen greifen erstmals für die Veranlagung für das Jahr 2024. Und man kann bis sich die Machtverhältnisse auf dem Festland ändern, durch geschickte Planung auch größere Vermögen steuerfrei stellen: Wird eine Mallorca-Immobilie z.B. von einem Ehepaar mit zwei Kindern (je zu 25 % gekauft), steht jedem der Miteigentümer der Freibetrag von 3 Millionen Euro zu – und schon sind 12 Millionen Euro steuerfrei!
Fazit für Investitionen auf den Balearen
Die Vermögensteuer der Balearen war bis zur Neuregelung am 29.12.2023 ein Investitionshindernis. Viele Kaufinteressenten von Immobilien auf Mallorca wurden durch die höchsten Vermögensteuern im Europavergleich davon abgehalten, Luxusimmobilien auf den Balearen zu kaufen oder gar ihren Lebensmittelpunkt nach Mallorca zu verlegen. Wenn sie bereit waren, eine Villa im zweistelligen Millionenbereich zu erwerben, hätten sie z.B. bei einem Kaufpreis von 11 Millionen Euro 379.500 € Vermögensteuer zu zahlen, und das jedes Jahr! Viele sagten dann „So schön ist Mallorca auch wieder nicht! Zumal ich fast überall in Europa eine schöne Immobilie kaufen kann, ohne Vermögensteuer zu zahlen“. Durch diese Steuerpolitik der Vermögensverteilung von oben nach unten verhinderte die abgewählte Linksregierung nicht nur große Investitionen, sie verzichtete damit auf enorme Steuereinnahmen, nämlich beim Immobilienerwerb auf Grunderwerbsteuern oder Mehrwertsteuern, auf jährliche Grundsteuern, auf jährliche Einkommensteuern aus der Eigennutzung der Immobilie. Und schließlich: Dieser Käuferkreis schafft Arbeitsplätze (in der Bauwirtschaft, der Einrichtungsbranche, für Gärtner, Hausmeister, und, und, und). Und darüber hinaus: Diese Klientel konsumiert bestens im Handel, in der Dienstleistung (besonders in der Gastronomie) und im Handwerk. So wird wirtschaftlicher Aufschwung erreicht. Man kann nach dem ersten Jahr der Regierungszeit der neuen Ministerpräsidentin nur sagen: Gut gemacht, Marga Prohens.
Liebes Minkner-Team,
Ihre Erläuterungen zur Vermögensteuer auf den Balearen lassen hoffen! Die Frage ist nur, was passiert, wenn die PP die nächsten Wahlen nicht mehr gewinnt? Und wenn Pedro Sanchez auf dem Festland weiter sein Unwesen treiben kann? Gilt dann wieder “zurück-marsch-marsch”? Alles eine sehr wackelige Kiste.
Jakob Weinstein
Na ja, unter Pedro Sanchez ist Spanien nun das ökonomische Vorzeigeobjekt in Europa. Von “Unwesen treiben” würde ich hier nicht sprechen.
Na, immerhin. Mit diesen Freibeträgen kann man – wenn man die Immobilie auf mehrere Familienmitglieder aufteilt – leben. Die bisherige Regelung für Vermögen über 10 Mio. jährlich 350.000 € Vermögensteuer zu zahlen, entsprang doch einem irren, gierigen Hirn!
Patrick Krause