Wichtigste Baustelle der Balearen-Regierung: Lösungen zur Beseitigung der Wohnungsnot
Es war im vergangenen Jahr das wichtigste Thema im Wahlkampf und ist heute die größte Baustelle der neuen, konservativen Landesregierung: die Beseitigung der Wohnungsnot. Das Problem ist nicht neu; es besteht seit Jahrzehnten. Eine aktuelle Studie der spanischen Zentralbank kommt zu dem Ergebnis, dass sich bis 2025 für die Balearen ein Fehlbestand von 15.740 Wohnungen ergebe, um den Bedarf zu decken. Andere Erhebungen gehen gar von einem Bedarf von 35.000 Wohnungen aus. Auswüchse der Wohnungsnot erkennt man daran, dass manche Einwohner ein neues Zuhause in Wohnwagen oder in nicht genutzten Lagerräumen suchen.
Die spanische Verfassung garantiert jedem Menschen das Recht auf menschenwürdigem Wohnraum. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine riesige Lücke. Die neue konservative Regierung der Balearen ist in der Pflicht. Neue Konzepte und schnelles Handeln sind gefragt, denn das Thema birgt erheblichen sozialen Sprengstoff und greift unmittelbar auch in die Wirtschaft ein: Viele Arbeitsplätze, vor allem in der Tourismus- und Bauwirtschaft können nicht besetzt werden, weil Arbeitnehmer vom Festland, die einst gern als Saisonarbeiter auf die Balearen kamen, nun die Inseln als Arbeitsplatz meiden, da sie hier keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden.
Fehler und Versäumnisse der abgewählten Linksregierung
Die abgewählte Linksregierung der Balearen hatte, wie leider auch die Vorgängerregierungen, in den acht Jahren ihrer Tätigkeit den sozialen und öffentlich geförderten Wohnungsbau sträflich vernachlässigt. Zwar wurden bei jeder Gelegenheit vollmundig diverse Programme und Pläne verkündet, doch die Bilanz realisierter Projekte füllt kaum ein Din-A4-Blatt. Nicht umsonst wurde die ehemalige Ministerpräsidentin Armengol auch die „Ankündigungspräsidentin“ genannt. Statt neu zu planen und zu bauen, engte sie die Baumöglichkeiten auf den Inseln sogar ein und versuchte, durch Regulierungsmaßnahmen Lösungen zu finden, was durch einige Beispiele belegt werden soll:
Im Januar 2023, kurz vor Ende ihrer Regierungszeit, erließ die Linksregierung im Eilverfahren ein „Gesetzesdekret zur Beschränkung der Bauaktivität“, das den Gemeinden vorschrieb, keine neuen Urbanisationen mehr auszuweisen, sofern noch ausreichendes Bauland in den Dörfern vorhanden sei. Und sie strich 53.200 Hektar (!) Bauland, auf dem etwa 20.000 Wohnungen hätten gebaut werden können. Dies alles vor dem Hintergrund, dass 2023 nur 3.000 neue Wohnungen geschaffen wurden, während es im Jahre 2.000 noch etwa 14.000 neugebaute Wohneinheiten pro Jahr gab. Durch den Mangel an Neubauten verschärfte sich natürlich die Situation auf dem Mietmarkt, so dass es für eine Wohnung bisweilen einige Hundert Bewerber gibt, was die Mietpreise weiter in die Höhe treibt.
Hinzu kamen Gesetze, Verordnungen und Planspiele zur Mietpreisbremse, zur Enteignung von leerstehendem Wohnraum, zur illegalen Ferienvermietung, zur Deckelung der Preise bei Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand im Wohnungsbau und schließlich zum höheren Schutz für Hausbesetzern als für Eigentümern. Alles Maßnahmen, die keinen neuen Wohnraum schafften und schon gar nicht geeignet waren, Investoren zu veranlassen, neuen Wohnraum zu schaffen.
Was hat die neue konservative Balearen-Regierung auf der Agenda?
Klar ist, dass es nicht den einen Königsweg gibt, in naher Zukunft den Fehlbestand von mindestens 15.000 Wohnungen auszugleichen. Grundsätzlich hat die neue Regierung verkündet, nach Möglichkeit Eingriffe in den freien Markt zu vermeiden, nicht auf Regulierung zu setzen, sondern die Privatwirtschaft anzuregen, Wohnraum zu schaffen. Dazu will die Regierung durch Änderungen des allgemeinen öffentlichen Baurechts und der Anregung zur Änderung der gemeindlichen Bauordnungen beitragen. So sollen zunächst die vorhandenen Flächen besser genutzt werden können, insbesondere durch Verdichtung. Das heißt: Größere Wohnungen sollen in kleinere aufgeteilt werden dürfen. Der Ausbau von Dachgeschossen und die Aufstockung von Wohnhäusern sollen ermöglicht werden. Leerstehende Ladengeschäfte sollen in Wohnraum umgewidmet werden können. Weiter werden wohl zukünftig heruntergekommene Hotels zu Wohnraum umgewidmet werden. Die so entstehenden kleinen Apartments stellten eine gute Möglichkeit dar, Saisonarbeitern als Wohnung zu einem bezahlbaren Wohnungspreis zur Verfügung zu stellen. Da viele Mietsuchende ein Einkommen am unteren Ende der Einkommensstatistik haben, arbeitet die Regierung zudem an einem Modell, dass sich der Staat für Mietausfälle verbürgt, was den Eigentümern eine größere Sicherheit bietet. Der zuständige Generaldirektor im Wohnungsbauministerium, José Reynés, glaubt, mit diesen Maßnahmen bis zu 10.000 Wohnungen für den Mietmarkt generieren zu können.
Im sozialen Wohnungsbau hat die konservative Regierung alle begonnenen Projekte der Vorgängerregierung auf den Prüfstand gestellt. Manches davon war noch „unausgegoren“. Selbstverständlich, so Reynés, werden sinnhafte Projekte weiterbearbeitet und realisiert. Dazu gehört auch das ehemalige, 110.000 m² große Kasernengelände Son Busquets, auf dem 800 neue Wohnungen mit jeweils etwa 100 m² entstehen sollen. Allerdings werden größere Stückzahlen von neuen Wohnungen erst in mindestens zwei bis drei Jahren fertiggestellt sein und übergeben werden können.
Auch steuerlich will man Haus- und Wohnungseigentümern bei der Vermietung von Wohnraum unter die Arme greifen. Durch Steuergutschriften soll das Vermieten wieder interessant werden. Ein konkretes Beispiel: Vermietet ein Eigentümer seine Immobilie an einen Mieter als Hauptwohnsitz, waren bislang 60 % des Gewinns für den Vermieter steuerfrei. Nach den neuen Regelungen liegen die Steuerbefreiungen bei 50 %, 60 %, 70 %, oder 90 %, je nachdem, welchen Sättigungsgrad die Zone hat, in der die Immobilie liegt. Auch für Erwerber von Wohnungen und Häusern gibt es steuerliche Vergünstigungen. So werden z.B. junge Käufer unter 30 Jahren sowie Erwerber mit Behinderungen künftig keine Grunderwerbsteuer mehr zahlen, wenn sie eine Wohnung oder ein Haus als Erstwohnsitz erwerben. Dies gilt allerdings nur für Immobilien mit einem Wert von 270.000 € (bzw. 350.000 € in Zonen mit angespanntem Wohnungsmarkt). Ist der Erwerber unter 35 Jahre oder handelt es sich um eine kinderreiche Familie, wird die Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines Erstwohnsitzes um 50 % gesenkt.
Ein weiteres spannendes Projekt betrifft die Legalisierung von Schwarzbauten? Was hat das mit der Schaffung von Wohnraum zu tun? Viel! Auf den Inseln gibt es Tausende von Gebäuden, die ganz oder teilweise illegal errichtet wurden. Selbst wenn sie Bestandsschutz haben, also – meist nach Ablauf von acht Jahren nach Abschluss der Bauarbeiten – bekommen Eigentümer derartiger Häuser keine Umbau-, Erweiterungs- oder Renovierungsgenehmigung. Meist haben sie auch keine oder eine nicht mehr gültige Bewohnbarkeitsbescheinigung, die als Dokument sowohl bei der Vermietung als auch beim Verkauf vorgelegt werden muss. Legalisiert die Regierung das illegale Gebäude, kann es verkauft oder vermietet werden und der Staat kassiert für die nachträgliche Legalisierung sowohl Genehmigungskosten als auch Strafen. Eine Win-Win-Situation für Eigentümer und Staat. Vorbild des geplanten Gesetzes ist die „Lex Company“, die während der konservativen Regierungszeit vor dem Linkspakt (2011 – 2015) galt, aber nach dem Wahlsieg der Linken wieder abgeschafft worden war. Die Einzelheiten dieses Gesetzes stehen noch nicht fest, sollen aber noch im Sommer 2024 bekannt gegeben werden.
Fazit: Die konservative Regierung hat in dem einen Jahr ihrer bisherigen Regierungszeit im Bereich der Wohn- und Baupolitik schon vieles auf den Weg gebracht. Wir werden sehen, ob und wie die beschrittenen Lösungswege greifen.
Wir lesen Ihre BLOG-Beiträge immer sehr gerne, weil sie höchst informativ sind und nicht nur die pressemitteilungen der Regierung wiedergeben, sondern sich mit diesen kritisch auseinandersetzen. Ihr Beitrag über die Wohnungsnot auf Mallorca und die Hintergründe ist Klasse! Vielen Dank dafür.
Klaus Heegemann