Mallorca – Insel der zwei Gesichter
Das Thema
Aufgrund der Corona-Pandemie und des daraus resultierenden Einbruchs des Tourismus und der Wirtschaft ist auf Mallorca die Schere zwischen arm und reich gewaltig aufgesprungen. Da ist einerseits die Welt der Schönen und Reichen aus aller Herren Länder, der ausländischen Residenten und Zweithaus-Besitzer, die es sich auf Mallorca gut gehen lassen, da ist ein boomender Immobilienmarkt für die internationale Klientel der Vermögenden und da sind andererseits Menschen, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, ein Heer von Kurzarbeitern und Arbeitslosen und Hoffnungslosen. Eine Zustandsbeschreibung und eine To-do-Liste für die, die politische Verantwortung tragen. Zukunftsvisionen und Tatkraft sind gefordert.
Die Sonnenseite
Schon am 7. Juli 2020, also nur eine Woche nach Öffnung von Mallorcas Flughafen für den internationalen Verkehr berichtete das Mallorca Magazin, „die Privatfliegerei auf Mallorca erlebt in diesen Tagen einen Boom; die Insel entwickele sich zum Hotspot der Luxustouristen“. Innerhalb von wenigen Tagen starteten und landeten nach Auskunft des Flughafenbetreibers AENA auf Mallorca 600 Privatjets. An manchen Tagen bis zu 90 Stück. 70 % der Privatflieger kamen übrigens aus Deutschland.
Besucht man dieser Tage die vielen kleinen Badebuchten im Küstenstreifen, zeigt sich ein mondänes Bild wie in den Luxushäfen der Cote d`Azur: Da ankern Yachten internationaler Eigner im Millionenwert (pro Yacht!): Sealine, Sunseeker, Fjord, Beneteau, Pearl, Prestige und Warwick. Der eigene Koch oder ein Caterer bedienen beflissen, die Champagnerkorken knallen.
Und abends die lauen Sommernächte in den Terrassen-Restaurants von Port Andratx und Portals Nous: Wenn auch unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln genießt eine illustre Gesellschaft die Hafensilhouette, den Sonnenuntergang, den Fisch im Salzmantel und den frischen Wein der Insel. Man hat es sich verdient und will die erarbeitete Freiheit genießen. Sicher – einige Restaurants machen nicht, noch nicht oder nicht mehr auf. Die heitere Stimmung beeinträchtigt das nicht.
Und da sind die Immobilienunternehmer und Makler, die die vermögende internationale Klientel betreuen. Sie berichten im Juli 2020 von einer derart starken internationalen Nachfrage für Luxusimmobilien, wie sie in den Sommermonaten der Vorjahre nicht verzeichnen konnten. Deutsche, Schweizer, Österreicher, Skandinavier, auch noch einige Briten wollen sich einen Platz an der Sonne kaufen, fürchtend, das Geld könnte wegen des internationalen Anwurfs und Auswurfs der Gelddruckmaschinen an Wert verlieren. Dann doch lieber rechtzeitig in eine wertstabile Mallorca-Immobilie investieren und sich zugleich die emotionale Rendite, die da heißt „Lebensqualität, kaufen.
Die Schattenseite
Mallorca lebt direkt oder indirekt vom Tourismus, mehr als alle anderen Autonomen Regionen Spaniens. Deshalb hat die Insel die Pandemie und die zeitweise völlige Einstellung des Reiseverkehrs besonders stark beeinträchtigt. Hotels, Restaurants, Bars waren für mehr als drei Monate geschlossen. Handel, Handwerk, Dienstleistung, Landwirtschaft, die überwiegend mit dem Tourismus Geld verdienen, hatten über Monate praktische keine Einnahmen – selbst wenn sie ihre Geschäfte öffnen durften. Etwa 200.000 Arbeitnehmer waren und sind von Kurzarbeit betroffen. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen kamen spät und werden allgemein als unzureichend empfunden.
Allein während des Alarmzustandes machte die Wirtschaft der Balearen nach Berechnungen des Ökonoms Prof. Antoni Riera ein Minus von 1,4 Milliarden Euro. Der zarte Hoffnungsschimmer, der nach dem Ende des Alarmzustandes durch den – wenn auch verminderten – Touristenzustrom entstand, wurde schnell durch eine dilettantische Informationspolitik der Balearen-Regierung bezüglich der Sicherheitsvorschriften und schließlich durch die Quarantänebestimmungen der britischen Regierung zunichte gemacht. Mit Tourismus-Nachfrage kann man damit, wenn nicht eine 2. Pandemiewelle kommt, erst wieder im Frühjahr 2021 erwarten. Riera prognostiziert, dass ab Herbst 2020 etwa 400.000 Arbeitnehmer der Balearen auf staatlichen Hilfe angewiesen sein könnten.
Was ist zu tun?
Was ist zu tun? Fragt man die Linksregierung nach Visionen, nach dem Konzept der Balearen 2021 ff., scheint die Antwort mit dem Filmregisseur Alexander Kluge zu lauten: „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos!“. Dabei liegt den Politikern ein Konzept des Professors für Volkswirtschaft Carles Manera, der in der letzten Wirtschaftskrise von 2007 – 2011 Wirtschaftsminister der Balearen war und heute Vorstandsmitglied der Notenbank Banco de Espana ist, vor, das als Blaupause genutzt werden könnte, aber in der Schublade bei MP Armengol verstaubt. Manera hatte zusammen mit 40 angesehenen Wissenschaftlern ein 500 Seiten starkes Konzept unter dem Titel „Horizont 2030“ für die wirtschaftliche Zukunft der Balearen entwickelt. Die wichtigsten Punkte erläutert das Konzept sehr detailliert, können aber hier nur kurz angerissen werden: Manera ist der Überzeugung, dass der Tourismus der Wirtschaftsmotor der Balearen bleiben müsse. Jedoch müsse die Strategie überdacht werden.
Weiter müssten gefragte Branchen ausgebaut und der Dienstleistungssektor diversifiziert werden. Die Bereiche Innovation, Technologie, Soziales, Bildung und Gesundheit seien unterentwickelt. Hier gebe es riesige Wachstumsmöglichkeiten. Dies alles müsse natürlich schrittweise geschehen. Politik könne nicht nur in einem Rahmen der Wahlperiode von vier Jahren konzipiert werden. Das Konzept hat Konsens gefunden bei den Politikers von Regierung und Opposition, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie anderen gesellschaftlichen Gruppen. Nur – dabei blieb es. Geld sei genug vorhanden, man müsse es nur zielgerecht einsetzen.
Es ist höchste Zeit, dass sich alle angesprochenen Gruppen gemeinsam an einen runden Tisch setzen (vielleicht in Spanien eine schier unmögliche Vorstellung), die Weichen für die Balearen und das nächste Jahrzehnt zu stellen und neu zu justieren. Mallorca ist eine einzigartige Insel voller Lebenskraft. Diese Energie muss genutzt werden, um Mallorca lebenswert für alle zu machen, die auf dieser Insel arbeiten und leben wollen.
Sozialisten und Konservative können in Spanien nur eines: sich wechselseitig die Köpfe einschlagen. Das hat eine ungute Tradition seit dem Bürgerkrieg. Das sollte sich ändern? Eine Utopie!
Herzlichst
Ihr Egon Schumann
Lieber Herr Minkner,
Sie haben völlig Recht: Diese unruhigen Zeiten brauchen eine politische Führung mit Visionen und dem Willen, diese Visionen durchzusetzen. Und man muss bereit sein, auch den politischen Gegner mit ins Boot zu nehmen, denn die Visionen sollen ja nicht nur bis zum nächsten Wahltag reichen. Ich zweifle, dass es den zerstrittenen politischen Parteien, Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebern gelingt, sich im Interesse der menschen und des Landes zusammenzuraufen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Herzfeld
Hallo, liebes Minkner-Team,
Ihre Beiträge zu aktuellen Themen lese ich immer mit großem Interesse. Ihr Beitrag “Mallorca – Insel der 2 Gesichter” ist sehr informativ und ausgewogen. Und – er zeigt Lösungsansätze in einer Zeit, in der viele ratlos sind. Hoffentlich lesen auch die verantwortlichen Politiker Ihren BLOG.
Herzliche Grüße
Sebastian Weiland