Bestandschutz – Inselrat beseitigt Schwarzbauten

Schon der Name der dem Inselrat nachgeordneten Behörde klingt martialisch „Agentur zur Verteidigung des Territoriums“. Aufgabe dieser Behörde ist es, die Legalität von Gebäuden auf Mallorca zu überprüfen, Rechtsverstöße zu ahnden – vom Bußgeld über Strafen bis hin zur Abrissverfügung. Und davon macht die Agentur hinreichend Gebrauch: Neben erheblichen Bußgeldern und Strafzahlungen verfügte die Agentur allein im Jahre 2019 Dutzende Abrissverfügungen, und einige Hundert Verfahren laufen noch. Durch diese Maßnahmen sind sowohl Verkäufer als auch Käufer von Mallorca-Immobilien stark verunsichert. Auf der Verkäuferseite entwickelt sich ein bisher verkümmertes Unrechtsbewusstsein. Jahrzehntelang wurden Bausünden auf Mallorca geduldet, sie waren ein Kavaliersdelikt, das meist folgenlos blieb. Kaufinteressenten sollten mit Hilfe von Maklern und Rechtsanwälten immer intensiver die Legalität eines Gebäudes prüfen, bevor sie es kaufen. Professionelle Makler nehmen illegale Häuser meist gar nicht mehr ins Programm auf, bevor nicht – wenn möglich – die Legalität hergestellt ist oder zumindest Bestandsschutz besteht. Zeit also, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Wann ist ein Haus legal, wann illegal, wann bestandsgeschützt.

Wann ist ein Haus legal?

Die Antwort darauf ist einfach: Ein Haus ist legal, wenn es nach den in der betreffenden Gemeinde zum Zeitpunkt des Baus geltenden öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften (Grenzabstände, Höhe, m² der Überbauung, m² Wohnfläche, Nutzungsart, etc.) aufgrund eines Bauantrages, einer darauf folgenden Baugenehmigung und einer öffentlich-rechtlichen Bauabnahme errichtet wurde. Das neu erbaute Haus wird dann aufgrund einer Neubauerklärung des Eigentümers im Grundbuch eingetragen, wobei der Eigentümer dem Notar die Bauabnahmebescheinigung vorlegen muss. Der Kaufinteressent bzw. der Rechtsanwalt muss – neben anderen Prüfungen – klären, ob der tatsächlich vorhandene Baubestand mit der Beschreibung im Grundbuch übereinstimmt und dass keine Bauverstoßverfahren gegen die Immobilie beim Rathaus anhängig sind.

Wann ist ein Haus illegal?

Auch das ist ganz einfach zu beantworten: Ein Haus oder Gebäudeteile sind illegal, wenn sie ohne Baugenehmigung und ohne Abnahme errichtet wurden. Eigentlich klar und in Deutschland nicht anders. Nur – während in Deutschland Schwarzbauten die Ausnahme sind, sind sie in Spanien weit verbreitet. Die Gründe sind nachvollziehbar: Die Kosten und Gebühren für Bauanträge sind in Spanien sehr hoch, und wenn man relativ sicher sein konnte, dass ein Bauverstoß nicht geahndet werden würde, sparte man sich diese Kosten gern. Da die Größe der Bebauung auch Einfluss auf die jährliche Grundsteuer hat, wollte man auch diese umgehen.

Kann man ein Haus nachträglich legalisieren? Möglicherweise: Wenn illegal errichtete Gebäude im Rahmen der geltenden Bauvorschriften genehmigungsfähig sind (also die o.g. Kriterien wie Grenzabstände, Bauvolumen, etc. eingehalten wurden), kann nachträglich ein Bauantrag gestellt und das Gebäude oder der illegale Gebäudeteil nachträglich genehmigt werden. Zusätzlich wird allerdings ein Bußgeld für den begangenen Bauverstoß verhängt werden. Aber immerhin: Der ursprüngliche Schwarzbau ist dann legal.

Wann ist ein illegales Haus bestandsgeschützt?

In städtischen Zonen (zonas urbanas) kann ein illegal errichtetes Gebäude nach acht Jahren seit Fertigstellung des Baus unter Umständen Bestandsschutz haben. Dafür gibt es allerdings einige Voraussetzungen, wichtigste ist, dass bei der Behörde kein Bauverstoßverfahren anhängig ist. Derartige Gebäude oder Gebäudeteile können dann mit einer sog. Altbauerklärung im Grundbuch eingetragen werden. Gebäude, die in geschützten Zonen errichtet wurden, können allerdings keinen Bestandsschutz erlangen. Um es deutlich zu sagen: Der Bestandsschutz ist keine nachträgliche Legalisierung – das illegale Gebäude ist nach wie vor illegal, es ist jedoch vor Maßnahmen der Verwaltung, insbesondere einer Abrissverfügung, geschützt. Für den ländlichen Bereich (suelo rustico) wurde 2017 der Bestandsschutz abgeschafft bzw. eingeschränkt. Für Bauten, die auf suelo rustico nach dem 31.12.2017 errichtet wurden, gibt es grundsätzlich keinen Bestandsschutz mehr. Nur illegale Bauten, die am 31.12.2017 schon acht Jahren bestanden haben und gegen die keine Bauverstoßverfahren vorliegen, erhalten noch Bestandsschutz. Beispiel: Ein illegales Haus, das am 31.12.2017 erst 7 Jahre bestand, wird nie wieder Bestandsschutz erlangen.

Update 2024: Nachträgliche Legalisierung von illegalen Bauten auf suelo rustico

Versprochen, gehalten!

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die Wahlsieger müssen sich daran messen lassen, welche ihrer Wahlversprechen sie erfüllt haben. Nach einem Jahr Regierungszeit konnte die neue konservative Regierung schon einige wichtige Punkte aus ihrem Wahlprogramm abhaken, insbesondere die weitestgehende Abschaffung der Erbschaft- und Vermögensteuer. Weiter treibt die Politik die Lösungen für das Wohnungsproblem voran und hat das ehrgeizige Ziel, bis zum Ende der Legislaturperiode fast 15.000 Wohnungen zu schaffen. In diesen Themenkreis muss auch das Dekret 3/2024, das am 28.05.2024 im BOE veröffentlicht wurde, gesehen werden. Dieses Dekret enthält nämlich Sondervorschriften zur Legalisierung von Bauten auf landwirtschaftlichen Flächen.

Das Problem der illegalen, aber bestandsgeschützten Bauten

Auf den Balearen sollen nach Schätzung der Regierung etwa 30.000 Bauten auf ländlichem Boden (suelo rustico) ganz oder teilweise illegal sein. So wie bei der Unterverbriefung bei Immobilienkäufen entsprach es einst mallorquinischer „Tradition“, Landhäuser – meist Finca genannt – an- und umzubauen, ohne dafür eine Genehmigung einzuholen. Mussten die Eltern ins Haus aufgenommen werden, wurde eine Wohnung angebaut. Wollte man den Salon vergrößern, wurde die überdachte Terrasse an drei Seiten geschlossen und mit Fenstern versehen. Gern wurde das Haus auch um eine Etage aufgestockt und die Garage als Arbeitszimmer genutzt. Ja, und zum Schluss fehlte ja auch noch ein Swimmingpool! Und warum wurde dafür nicht im Rathaus eine Genehmigung beantragt. Ganz einfach: um die Genehmigungsgebühren zu sparen und eine Hochstufung bei der jährlichen Gemeindesteuer zu vermeiden. Gern nahm dann auch der örtliche Bürgermeister bei der Einweihungsparty teil. So kam es über Jahrzehnte zu der geschätzten Zahl von 30.000 (teil)illegalen Baulichkeiten. Diese Baulichkeiten wurden in der Folge oft auch verkauft oder vererbt, und niemand schien ein Interesse daran zu haben, die Objektbeschreibung in der Escritura mit dem Ist-Bestand zu vergleichen. Leitete die Behörde dann innerhalb von acht Jahren keine Maßnahmen gegen die illegale Baulichkeit ein, hatte die Immobilie von Gesetzes wegen Bestandsschutz, d.h. der jeweilige Eigentümer hatte keine Geldbußen oder gar eine Abrissverfügung mehr zu fürchten. Allerdings: Legalität und Bestandsschutz sind zwei verschiedene Stiefel: Das illegale Gebäude konnte keine aktuelle Bewohnbarkeitsbescheinigung bekommen. Wollte der Eigentümer Umbauten vornehmen, bekam er dafür nur eine Genehmigung, wenn zuvor der illegale Teil abgerissen wurde. Weiter können an einem bestandsgeschützten Gebäude bzw. dessen illegalen Teil keine Reparaturen vorgenommen werden (Art. 129 des Städtebaugesetzes der Balearen). Was ich oben als rechtswidrige Tradition dargestellt habe, wurde in den letzten Jahren in der Praxis zum Problem: Wollte ein Eigentümer sein (teil)illegales Landhaus verkaufen, nahmen Kaufinteressenten oft Abstand, weil sie die Risiken von Sanktionsverfahren oder bei beabsichtigten Umbau- und Reparaturmaßnahmen fürchteten. Kam es schlussendlich zum Verkauf, musste der Verkäufer wegen der (Teil)Illegalität meist hohe Preisabschläge hinnehmen.

Das Dekret 3/2024 – die Lösung des Problems

Schon 2014 hatte sich die damals regierende, konservative Regierung drangemacht, diesen Themenkreis abzuarbeiten und einer Lösung zuzuführen. Allerdings wurde sie kurz nach Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes von den Linken abgelöst, die das junge Gesetz wieder einstampfte. Nun also ein neuer Anlauf zur nachträglichen Legalisierung von illegalen Bauten auf Suelo Rustico in Form des Dekrets 3/2024. Das Dekret ermöglicht es, illegale Bauten (auch z.B. Swimmingpools) auch ländlichem Boden nachträglich zu legalisieren, auch wenn sie nicht den aktuellen städtebaulichen Vorschriften entsprechen und die Ahndungsmöglichkeit verjährt ist (acht Jahre). Dazu müssen beim zuständigen Rathaus aktuelle Bestandspläne eingereicht werden. Weiter ist eine Kalkulation über die Baukosten der illegalen Bauten zu fertigen, und es sind auf der Basis dieser Baukosten die üblichen Steuern und Gebühren zu zahlen. Weiter ist nachzuweisen, dass der Eigentümer Umweltmaßnahmen durchgeführt hat, die die Energie- und Wassereffizienz verbessern und die Lichtverschmutzung reduzieren. Das Rathaus legalisiert dann den Istbestand, der im Grundbuch eingetragen werden kann. Zudem ist eine Strafgebühr vorgesehen, die, wenn sie im ersten Jahr gezahlt wird, 10 % der kalkulierten Baukosten beträgt, im zweiten Jahr 12,5 % und im dritten Jahr 15 %.  Für die Ausführung ist eine Frist von 3 Jahren ab Inkrafttreten des Dekrets vorgesehen.

Das Dekret schafft eine win-win-Situation: Der Eigentümer hat schlussendlich ein legales Haus und kann es ohne Legalitätsprobleme zu einem angemessenen Preis verkaufen. Für die Gemeinde sind die Legalitätsprobleme vom Tisch. Sie hat für eine Vielzahl von Gebäuden Maßnahmen zur Energie- und Wassereffizienz erlangt. Und sie hat erhebliche Einnahmen aus Gebühren und Strafen. Unser Rat: Wenn das Dekret 3/2024 auch Ihre Finca betrifft, wenden Sie sich schnellstmöglich an einen Architekten und Rechtsanwalt (Minkner & Bonitz gibt Ihnen gern Kontaktadressen), um Ihren konkreten Fall studieren zu lassen. Sollte das Dekret für Sie einschlägig sein, betreiben Sie die Legalisierung, denn nach Ablauf der 3-Jahresfrist werden Sie wahrscheinlich nie wieder die Möglichkeit haben, Ihr illegales Haus zu legalisieren.